img_8782

Kultobjekt Sneaker

Wir alle lieben sie, wir alle tragen sie! Die Rede ist natürlich von Sneakern. Im Lauf der Jahrzehnte haben die trendigen Treter eine enorme Entwicklung durchgemacht: Vom einfachen Turnschuh hin zum ultimativen Modeaccessoire, das beinahe zu jedem Outfit getragen werden kann – egal, ob von Männern oder Frauen.

Als Turnschuh bezeichnet man heutzutage eigentlich nur noch, was auch wirklich beim Sport getragen wird, Sneaker dagegen gehen immer. Dabei sind diese nicht viel mehr als aufgestylte Turnschuhe, oftmals mit allen möglichen Details wie Strass und Bling verziert. Beinahe jedes Fashion-Label der Welt hat heutzutage Sneaker im Sortiment – egal ob Mainstream-Modelabels wie H&M und New Yorker oder High-Fashion-Marken wie Prada, Gucci, Alexander McQueen und Balenciaga. Ebenso sind Kollaborationen mit Labels wie Off White oder Supreme bei Sneaker-Fans aktuell total angesagt und für viele eine lohnenswerte Geldanlage, ein ikonisches Statussymbol, ein Business!

Woher kommt der Begriff Sneaker?

Der Begriff als solcher taucht zum ersten Mal gegen Ende des 19. Jahrhunderts auf. Es ist ein amerikanischer Slang Ausdruck und leitet sich von „to sneak“, also schleichen, ab. Doch jeder, der auch nur ein bisschen Englisch versteht, weiß, dass Sneaker übersetzt nicht Turnschuh bedeutet. Kinder nannten aber damals ihre Schuhe mit Gummisohlen Sneaker, weil sie sich mit ihnen leise anschleichen konnten. Damit bildeten sie das Gegenstück zu den gebräuchlichen Schuhmodellen mit harter Ledersohle, deren Markenzeichen das laute Auftreten war. Der Werbeprofi Henry McKinney etablierte den Begriff dann Anfang des 20. Jahrhunderts in Zeitungen und in der Werbung. Doch von damals war es noch ein langer Weg, bis der Sneaker zum Kult-Schuh wurde, der er heute weltweit ist – den Männer sogar zum Anzug und Frauen zu Kleidern tragen können.

Image-2
Hippe Sneaker passen zu allen Outfits.   Foto (c) by Pixabay

Die erfolgreichsten Sneaker aller Zeiten

Sneaker sind praktisch, leicht und auch äußerst flexibel. Doch anstatt sich nach dem Sport komplett umzuziehen, behielten viele Menschen die bequemen Schuhe einfach an. Von Baseball über Tennis bis hin zum Cricket: Eigentlich wurden diese Schuhe ursprünglich für sportliche Tätigkeiten konzipiert. Die einflussreichste Sportart für Turnschuhe war allerdings Basketball. 1936 ernannte die US-Basketball-Nationalmannschaft den Chuck Taylor All Star zu ihrem offiziellen Schuh und holte damit im selben Jahr Olympisches Gold. Converse erfand 1917 diese Sneaker und auch genauso lange, also seit über 100 Jahren, wurde fast nichts am Design der stylischen Canvas-Schuhe verändert. Ihren Namen verdanken die Kult-Sneaker dem ehemaligen Basketballspieler und Converse-Mitarbeiter Charles Hollis Taylor, den aber alle nur Chuck Taylor nannten. Er soll 1921 die Firma Converse mit Verbesserungsvorschlägen kontaktiert haben, weil ihm nach dem Basketball-Spielen immer die Füße schmerzten. Daraus entstand dann eine enge Zusammenarbeit – die damit gipfelte, dass der Sneaker in Chuck Taylor All Star umbenannt wurde und fortan dessen Signatur auf dem Stern an der Seite trug. Die klassischen Chucks waren geboren. Bis heute wurden davon mehr als eine Milliarde Modelle verkauft – damit ist er der erfolgreichste Sneaker aller Zeiten. Ob Hippie, Punk, Grunge oder High Fashion – über Jahrzehnte wurden die Kult-Sneaker immer wieder neu entdeckt. Zahlreiche Stars wie Nirvana-Sänger Kurt Cobain, „The King“ Elvis Presley, Schauspieler wie James Dean, Joaquin Phoenix oder Kirsten Steward trugen und tragen sie gerne. Mick Jagger bewies bereits 1971, dass Hochzeit und Chucks sich auf keinen Fall ausschließen: Der Rolling-Stones-Frontmann heiratete nämlich in einem grünen Dreiteiler kombiniert mit weißen Chucks. Sogar Daniel Redcliff war als Harry Potter im Film „Der Orden des Phönix“ in den Kult-Tretern zu sehen. Und spätestens seit Carine Roitfeld, die Chefredakteurin der französischen Vogue, 2007 in einem goldenen Paar Chucks bei den Fashion Shows in Mailand erschien, sind sie absolut in der Gesellschaft angekommen. 

Image-3
Die Converse Chuck Taylor sind die erfolgreichsten Sneaker der Welt.   Foto (c) by Pixabay

Die ikonischsten Sneaker der letzten Jahre

Doch nicht nur Chucks sind heutzutage absolute Mode-Ikonen, nein, auch viele andere Modelle diverser Labels genießen mittlerweile absoluten Kult-Status – zum Beispiel die Air Jordans. Damals, im Jahr 1984, designte Nike die Schuhe für Basketballlegende Michael Jordan. Diese waren schwarz-rot und verstießen somit gegen die Farbbestimmungen innerhalb der NBA. Jordan trug sie trotzdem, musste Strafe zahlen und machte die Sneaker so zum Kassenschlager. Bis heute existieren etwa 30 verschiedene Designs. Doch Jordans sind mehr als nur Schuhe – sie machten die schwarze Subkultur in den USA zum Mainstream. Endgültig zum Statussymbol wurden Sneaker dann durch das Aufblühen der Hip-Hop Kultur – von welcher auch die Marke Adidas profitierte. Denn 1986 verhalfen die Rapper von Run DMC mit ihrem Song „My Adidas“ dem Modell Superstar zu Weltruhm. Die Single brachte dem Hip-Hop-Trio einen Deal mit dem deutschen Sportartikelhersteller aus Herzogenaurach ein, der sich auf 1,6 Millionen Dollar belaufen haben soll. Bis heute hat der Adidas Superstar mit Sicherheit eine der ikonischsten Silhouetten im Sneaker-Universum und feiert in diesem Jahr seinen 50. Geburtstag.

Image-1
Der Adidas Superstar feiert 2020 seinen 50. Geburtstag.   Foto (c) by Pixabay

Sneaker als begehrtes Sammlerobjekt

Aber auch heute noch haben Musiker einen großen Einfluss auf den Sneaker Hype. DJ Khaled, Jay-Z oder Eminem werden nicht nur für das Tragen der Schuhe bezahlt, sondern designen sie auch selbst. Ebenso wie der US-amerikanische Rapper, Sänger und Musikproduzent Kanye West. Dieser veröffentlichte im Jahr 2015 in einer Kollaboration mit Adidas den Yeezy Boost 750. Zuvor hatte West schon einige Yeezy-Modelle beim Label Nike herausgebracht, diese Zusammenarbeit ging aber wegen künstlerischen Differenzen 2014 in die Brüche. Die Yeezys von Adidas leiteten dann ein neues Hoch in der Sneakerszene ein. Sie waren bei jedem neuen Release innerhalb ein paar Stunden ausverkauft und sind bis heute sehr teuer auf dem Zweitmarkt zu erwerben. Adidas stellte damals nur 9000 Paar der Yeezy Boost 750 her, welche für 350 Dollar pro Stück verkauft wurden. Dadurch konnte das Angebot natürlich bei weitem nicht mit der Nachfrage mithalten, was den Hype noch mehr verstärkte. Um ein Paar dieser begehrten Schuhe zu bekommen, zelteten die meist jungen Fans vor ausgewählten Sneakerstores – oft tagelang! An viele Modelle der Yeezys kam man auch nur durch sogenannte Online- oder Instore-Raffles. Übersetzt heißt das so viel wie Verlosung. In der Regel wird bei so einem Raffle für einen Sneaker-Release aber nur das Kaufrecht und nicht der Schuh selbst verlost. Das bedeutet, man muss für den Schuh trotzdem den vollen Preis zahlen, bekommt ihn aber auf jeden Fall. Viele der Sneaker-Fans, die in der Szene als Sneakerheads betitelt werden und so an eines der begehrten Modelle kommen, tragen die Schuhe aber nicht zwangsläufig selber, sondern verkaufen sie im Internet zu horrenden Preisen weiter – genannt wird das Ganze dann Resell. Es gibt aber natürlich auch solche Fans, die die begehrten Schuhe sammeln. Einer von ihnen ist Danijel Balasevic aus Stuttgart. Angefangen hat es bei dem 34-Jährigen mit der Leidenschaft für Sneaker, als er 18 Jahre alt war. Sein allererstes Paar waren die Nike Air More Uptempo B. „Die 285 DM dafür musste ich mir damals während der Schulzeit selber dazu verdienen“, erzählt Balasevic. „Und ich habe die Schuhe wirklich so lange getragen, bis die Sohle quasi nicht mehr vorhanden war!“. In Stuttgart gibt es wohl kaum jemanden, der sich besser mit Sneakern auskennt, als er. Wen wundert es da, dass Danijel Balasevic auch Mitbegründer der Sneaker-Messe Kicks-N-Coffee und des Sneakers-Stammtisches ist. Rund 400 Paar Schuhe hat er heute in seiner Sammlung. „Es gab aber auch Zeiten, da waren es fast doppelt so viele“, lacht der sympathische Familienvater. In den letzten zehn Jahren sei der Markt im Bereich Sneaker laut Balasevic förmlich explodiert. Ihm geht es auch nicht ausschließlich um die Schuhe, sondern vielmehr um die Menschen, die man mit der Zeit in der Szene kennenlernt. „Da entstehen oft tolle Kontakte und Freundschaften!“

Bild1_DanijelBalasevic1_Foto_BorisMönnich
Sneaker-Fan Danijel Balasevic mit einer Replica seiner ersten Nike Air More Uptempo B.   Foto (c) by Boris Mönnich

Ein ebenfalls großer Sneaker-Fan ist Aydin Yildiz. Der 50-Jährige betreibt seit 1993 den Sneaker-Store Home Run. Damals befand sich der Laden am Holzmarkt in Ludwigsburg, dann in der Seestraße und mittlerweile verkauft Yildiz die trendigen Sneaker in der Körnerstraße. „Sneaker sind sehr vielfältig“, erklärt er. „Für mich produziert Adidas die besten Retro-Modelle. Natürlich gibt es aber auch noch andere coole Marken wie Nike oder Puma!“ Begonnen hat Aydins Sneaker-Leidenschaft mit einem ganz besonderen Modell: Dem Adidas Micropacer 2 mit eingebautem Schrittzähler aus den frühen 1990er Jahren – heutzutage ein wahres Kultobjekt für Sammler. In seinem Store hat er ein Paar davon, die er hütet wie seinen Augapfel. „Dieser Schuh ist für mich etwas ganz besonderes“, schwärmt Yildiz, „ich verbinde damit sehr viele Erinnerungen!“

AydinYildiz
Aydin Yildiz in seinem Home Run Store in Ludwigsburg mit dem Adidas Micropaser 2 in der Hand.   Foto (c) by Boris Mönnich

Die richtige Pflege für Sneaker

Für alle diejenigen, die ihre  Sneaker lieber tragen, als sie zu Höchstpreisen wieder zu verkaufen, stellt sich oft eine Frage: Wie pflegt und reinigt man seine Lieblingsstücke eigentlich richtig? Denn der Albtraum eines jeden Sneaker-Liebhabers sind vergilbte Stellen, tiefe Flecken im Canvas und dreckiges Mesh. Doch der wohl schlimmste Moment ist der, wenn man sich von seinen liebsten Schätzen trennen muss, weil sie abgetragen und total verschmutzt ihren Weg auf die Straße nicht mehr finden! Tatsächlich gibt es aber Menschen, die einen vor solch schrecklichen Moment bewahren und helfen können. Einer von ihnen ist Marcello Casula aus Allmersbach im Rems-Murr-Kreis. Der 36-Jährige hat vor knapp zwei Jahren die Firma „Cleanmysneaker“ gegründet und bringt schmutzige Sneaker wieder zum Strahlen. Mit dem Nebenjob im Keller seines Reihenhauses hat Casula einiges zu tun. Inspiriert wurde er durch den Sneakercleaner Jason Markk aus Los Angeles, dort bereits eine Legende. Auch in vielen deutschen Großstädten ist so ein Service schon lange im Trend und sehr rentabel für die Anbieter. „Ich glaube aber, hier in der Region Stuttgart bin ich so ziemlich der Einzige, der so etwas macht“, erzählt Casula. Zwischen 30 bis 40 Paar Schuhe reinigt er mittlerweile pro Monat – und alles von Hand. „Die Waschmaschine kommt bei mir nicht in Frage“, erzählt er. „Davon rate ich grundsätzlich ab, denn die meisten Sneaker vertragen so eine Prozedur nicht!“ Außerdem gibt es noch ein paar weitere grundsätzliche Dinge, die man bei der Reinigung seiner Schuhe beachten muss: „Man sollte auf jeden Fall nicht zu lange warten, bis man mit der Reinigung der Schuhe beginnt“, erklärt Casula. „Und bevor man loslegt, sollte man die Sneaker immer abbürsten und nach der Reinigung wieder gut imprägnieren!“

Bild2_MarcelloCasula_Foto_BorisMönnich
Sneakercleaner Marcello Casula bei der Arbeit.   Foto (c) by Boris Mönnich

Die teuersten und hippsten Sneaker der Welt

Der Rekordpreis für ein Paar Sneaker liegt übrigens bei 11,49 Millionen Euro für das knöchelhohe Model der Nike Air Yeezy 2 Red October. Die Farbgebung der Schuhe, in diesem Fall ein grelles Rot, kann entscheidend sein, ob ein Modell hipp ist oder als einfache Massenware gilt. Apropos Farbe: Egal, welches Label, die hippsten und beliebtesten Sneaker sind seit Jahren weiß – wie die Stan Smith von Adidas oder die Air Force One von Nike. Dieser cleane Look passt einfach zu allem, was Männer und Frauen so im Kleiderschrank haben. Bereits im Jahr 1985 trug Joschka Fischer weiße Nike-Sneaker und sorgte damit für einen Tabubruch, als er sich mit diesen Schuhen im Landtag als erster hessischer Umweltminister der Grünen vereidigen ließ. Wie sich die Zeiten doch ändern – heutzutage hätte damit wohl niemand mehr ein Problem. 

Text: Boris Mönnich
Fotos: Pixabay / Boris Mönnich

Erstveröffentlichung: top magazin Stuttgart 2020

Beitrag Teilen

Share on facebook
Facebook
Share on twitter
Twitter
Share on whatsapp
WhatsApp